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ThermoKarst

vom Schweizerischen Nationalfonds SNF finanziertes Projekt, 2020–2024

Un­te­rir­dische Hohlräume bil­den ein emp­find­liches Öko­sys­tem, in dem bio­geo­che­mische Pro­zesse stark von Tem­pe­ra­tur, Feuch­tig­keit und Belüf­tung abhän­gen. Sie be­wah­ren zu­dem ein­zi­gar­tige Spu­ren ih­rer ver­gan­ge­nen Um­welt.

Seit Be­ginn des 21. Jah­rhun­derts ha­ben paläoö­ko­lo­gische Stu­dien an Speläo­the­men – se­kundä­ren Kar­bo­nat­bil­dun­gen wie Sta­lag­mi­ten und Sin­te­ra­bla­ge­run­gen – ermö­glicht, das Erdk­li­ma mit ho­her Ge­nauig­keit über die letz­ten rund 0.5 Mil­lio­nen Jahre zu re­kons­truie­ren.

Die Frage, wie das un­te­rir­dische Kli­ma auf Verän­de­run­gen des äus­se­ren Kli­mas rea­giert, ist je­doch noch nicht voll­stän­dig geklärt. Klar ist aber, dass die Über­tra­gung äus­se­rer Tem­pe­ra­tur­sch­wan­kun­gen durch Wär­me­lei­tung im Ge­stein nicht der ein­zige Me­cha­nis­mus ist, der die beo­bach­te­ten un­te­rir­di­schen Tem­pe­ra­turän­de­run­gen erklärt.

Ein gutes Verständ­nis der ther­mi­schen Reak­tion des Karstes auf den Kli­ma­wan­del ist da­her grund­le­gend, um Au­flö­sungs- und Ausfäl­lung­sra­ten zu quan­ti­fi­zie­ren, geo­che­mische Va­ria­tio­nen in Speläo­the­men zu in­ter­pre­tie­ren und die Aus­wir­kun­gen auf die in Höh­len le­ben­den Or­ga­nis­men zu be­wer­ten.

Aus der Li­te­ra­tur ha­ben wir drei Hy­po­the­sen for­mu­liert, die wir im Rah­men des Pro­jekts über­prü­fen wol­len:

  1. Die Belüf­tung der Karst­ge­birge stellt ei­nen do­mi­nan­ten Me­cha­nis­mus für den Wär­me­trans­port dar;

  2. Die Reak­tions­zeit von Ge­bir­gen und Höh­len hängt hauptsä­chlich von ad­vek­ti­ven Flüs­sen (Was­ser und Luft) ab, mehr als von der Wär­me­lei­tung im Ge­stein;

  3. Der Wär­meaus­tausch ist aus­rei­chend, um eine si­gni­fi­kante Menge an Kon­dens­was­ser zu er­zeu­gen, das Karst­sys­teme zu­min­dest un­ter bes­timm­ten Be­din­gun­gen wie­der ak­tiv wer­den lässt.

Zur Er­rei­chung dieses Ziels stützt sich das Pro­jekt auf zwei Teams mit kom­ple­mentä­ren Kom­pe­ten­zen: eines mit Spe­zia­li­sie­rung auf das Mo­ni­to­ring und die Kon­zep­tua­li­sie­rung von Karst­sys­te­men (SISKA) und ein wei­teres, das sich mit Wärme- und Stoff­trans­port bes­chäf­tigt (FAST, La­bor für Strö­mung­sme­cha­nik der Uni­ver­sität Pa­ris-Süd).

Un­sere For­schung kon­zen­trierte sich auf belüf­tete Höh­len, his­to­risch ge­se­hen der am we­nig­sten vers­tan­dene Bes­tand­teil des Wär­me­trans­ports in Karst­ge­bie­ten (die Wär­me­lei­tung im Ge­stein und der Wär­me­trans­port durch Was­ser wur­den be­reits frü­her un­ter­sucht). Die For­schung kom­bi­nierte em­pi­rische und theo­re­tische Ansätze und führte zu zwei Dok­to­rar­bei­ten1 2 so­wie meh­re­ren von Fa­ch­kol­le­gen be­gu­tach­te­ten Ar­ti­keln.

Hauptfortschritte von Thermokarst (Auswahl):

  • Ein we­sent­liches me­tho­disches Hin­der­nis – die Mes­sung von Lufts­trö­mun­gen in Höh­len – wurde durch die Ent­wi­ck­lung und Va­li­die­rung eines ro­bus­ten Ins­tru­ments über­wun­den, das für un­te­rir­dische Be­din­gun­gen geei­gnet ist und eine brei­tere An­wen­dung mit ver­tret­ba­rem Auf­wand ermö­glicht 3 4. Dies eröff­net den Weg zu sys­te­ma­ti­schen Belüf­tungs­s­tu­dien an meh­re­ren Stan­dor­ten.

  • Wir ha­ben ge­zeigt, dass die ther­mische Kop­plung zwi­schen Luft und Ge­stein zu si­gni­fi­kan­ten Ab­wei­chun­gen von ei­nem „klas­si­schen“ Mo­dell führt, das nur die Wär­me­lei­tung durch das Ge­stein berück­sich­tigt.

  • Wir ha­ben die Kon­vek­tionslänge de­fi­niert und quan­ti­fi­ziert – die Ent­fer­nung ent­lang eines belüf­te­ten Gangs, die er­for­der­lich ist, um äus­sere Tem­pe­ra­tur­si­gnale ab­zu­schwä­chen – und ihre Abhän­gig­keit von der Dauer kli­ma­ti­scher Zyk­len (tä­glich, jähr­lich, län­ger) her­vor­ge­ho­ben 6.

  • Wir ha­ben eine For­mel auf­ges­tellt, die die maxi­male jähr­liche Kon­vek­tionslänge mit dem Lufts­trom und dem Durch­mes­ser des Gangs in Be­zie­hung setzt.

  • Wir ha­ben die ent­schei­dende Rolle der Belüf­tungs­in­ten­sität für die Kon­vek­tionslänge iden­ti­fi­ziert, die wie­de­rum durch die eng­sten Pas­sa­gen in den un­te­rir­di­schen Gän­gen be­grenzt wird.

  • Wir ha­ben Zo­nen in­ne­rhalb von Höh­len bes­chrie­ben und mo­del­liert, die Tem­pe­ra­tu­ren auf­wei­sen, die hö­her oder nie­dri­ger als die „nor­male“ Aus­sen­tem­pe­ra­tur sind – d. h. die mit­tlere jähr­liche Aus­sen­tem­pe­ra­tur auf glei­cher Höhe.

  • Wir ha­ben die Be­griffe „he­te­ro­therme“ und „ho­mo­therme“ Zo­nen, die in der un­te­rir­di­schen Kli­ma­to­lo­gie weit ver­brei­tet sind, übe­rar­bei­tet und neu de­fi­niert.

  • Wir ha­ben ge­zeigt, dass Ka­mi­nef­fekte eine wei­trei­chende und si­gni­fi­kante Belüf­tung in un­te­rir­di­schen Sys­te­men auslö­sen kön­nen, wenn Tem­pe­ra­tu­run­ter­schiede bes­te­hen.

  • Wir ha­ben je­doch fest­ges­tellt, dass die Belüf­tungs­in­ten­sitä­ten oft ge­ring sind, be­dingt durch enge Pas­sa­gen, und häu­fig asym­me­trisch – mit un­ter­schied­li­chem Strö­mung­swi­ders­tand im Win­ter und Som­mer – was durch lo­kale Geo­me­trie (Tes­la-Ven­til-Ef­fekt), Schwer­kraf­tein­flüsse in L-för­mi­gen Sys­te­men und an­dere Fak­to­ren erklärt wer­den kann.

  • Wir ha­ben den Wär­meü­ber­gang zwi­schen Luft und Ge­stein ent­lang belüf­te­ter Gänge iden­ti­fi­ziert und cha­rak­te­ri­siert.

  • Wir ha­ben die we­sent­liche Rolle der Aus­sen­tem­pe­ra­tur als Rand­be­din­gung bestä­tigt, aber fest­ges­tellt, dass die mit­tlere Bo­den­tem­pe­ra­tur in et­wa 0.5 m Tiefe oft hö­her ist als die Luft­tem­pe­ra­tur in 2 m Höhe.

  • Wir ha­ben die Rolle der Wär­me­lei­tung im Ge­stein klar­ges­tellt, die hauptsä­chlich auf kur­zen (tä­gli­chen) und lan­gen (de­ka­di­schen) Zeits­ka­len wirkt.

  • Wir ha­ben den Wär­meaus­tausch im Epi­karst be­wer­tet, der so­wohl Luft–Gestein- als auch Wasser–Gestein-Transfers um­fasst.

  • Wir ha­ben ge­zeigt, dass ei­nige häu­fig zi­tierte Mo­delle der geo­ther­mi­schen Entwäs­se­rung an der Ba­sis von Karst­sys­te­men mit bes­timm­ten theo­re­ti­schen As­pek­ten und un­se­ren Da­ten nicht übe­reins­tim­men, was auf die Not­wen­dig­keit von Mo­dell­ver­bes­se­run­gen hin­weist.

Ergebnisse und Veröffentlichungen

Ne­ben den bei­den Dis­ser­ta­tio­nen1 2 hat Ther­mo­karst meh­rere Ar­ti­kel in in­ter­na­tio­na­len Fa­ch­zeit­schrif­ten 3 4 5 6 7 8 veröf­fent­licht, mit min­des­tens zwei wei­te­ren Ma­nus­krip­ten in Vor­be­rei­tung. Diese Er­geb­nisse iden­ti­fi­zie­ren und quan­ti­fi­zie­ren die re­le­van­ten Pro­zesse (Wär­me­lei­tung, Was­se­rad­vek­tion, Luft­kon­vek­tion), zei­gen, wie Höh­len ef­fi­zient ins­tru­men­tiert wer­den kön­nen, und bil­den die Grund­lage für eine in­te­grierte Mo­del­lie­rung.

Die Er­geb­nisse dieses Pro­jekts stel­len so­mit ei­nen wich­ti­gen Schritt zum Verständ­nis des Wär­me­trans­fers in Kar­bo­nat­ge­stei­nen dar. Die we­sent­li­chen Ele­mente zum Verständ­nis des Wär­me­trans­fers in Karst­ge­bir­gen sind nun vo­rhan­den. Im Rah­men eines neuen Pro­jekts hof­fen wir, die re­le­van­tes­ten Pro­zesse in ein ein­heit­liches Mo­dell auf der Masss­tab­se­bene von Karst­mas­si­ven zu in­te­grie­ren.

Die Pro­jek­ter­geb­nisse lie­fern be­reits jetzt wich­tige Da­ten für das Verständ­nis des un­te­rir­di­schen Kli­mas, Er­geb­nisse, die auch in an­de­ren Be­rei­chen nütz­lich sind :

  • für die un­te­rir­dische Bio­lo­gie (un­te­rir­dische Le­bensräume),

  • für die Höh­len­ge­nese (Kon­den­sa­tions­kor­ro­sion),

  • für den Per­ma­frost (natür­liche Ei­shöh­len),

  • für den Höh­len­schutz (Schutz ar­chäo­lo­gi­scher und tou­ris­ti­scher Höh­len),

  • für den Koh­lens­toff­kreis­lauf (die Lö­sung und Ausfäl­lung von Kar­bo­na­ten wird durch pCO2und so­mit durch Belüf­tung ges­teuert),

  • für die Trink­was­ser­ver­sor­gung (Tem­pe­ra­tur­sch­wan­kun­gen in Karst­quel­len),

  • für die Nie­drig­tem­pe­ra­tur-Geo­ther­mie (Ein­fluss von Gän­gen auf den Wär­meaus­tausch),

  • für den Tun­nel- und Berg­bau (Vo­rher­sage von Hohlräu­men und mas­si­ven Was­se­rein­brü­chen),

  • für die öf­fent­liche Ge­sund­heit (Ra­do­ne­mis­sion in Gebäu­den)...

PHD-Studierende


Kontakt

Amir Se­da­ghat­kish
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Clau­dio Pas­tore
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PIs

Pierre-Yves Jean­nin (SISKA), Fré­dé­ric Dou­menc (Sor­bonne), Marc Luet­scher (SISKA).

Veröffentlichungen

1   Se­da­ghat­kish, A. The Role of Convec­tive Heat and Mass Trans­fer in the Ther­mal Res­ponse of Karst Conduits. PhD-The­sis, Uni­ver­si­ty of Neu­châ­tel, Centre of Hy­dro­geo­lo­gy and Geo­ther­mics (CHYN), Swit­zer­land, 2025.

2   Pas­tore, C. Ven­ti­la­tion Dy­na­mics and Heat Ex­change in Caves: An In­te­gra­ted Mo­ni­to­ring and Mo­de­ling Ap­proach. PhD-The­sis, Uni­ver­si­ty of Neu­châ­tel, Centre of Hy­dro­geo­lo­gy and Geo­ther­mics (CHYN), Swit­zer­land, 2025.

3   Pas­tore C., Se­da­ghat­kish A., Schmid N., We­ber E., Luet­scher M., 2024. Mo­ni­to­ring air fluxes in caves using di­gi­tal flow me­ters. In­ter­na­tio­nal Jour­nal of Spe­leo­lo­gy, 53, 63-73.doi.org/10.5038/1827-806X.53.1.2500

4   Pas­tore C., We­ber E., Dou­menc F., Jean­nin PY., Luet­scher M., 2024. Dis­per­sion of ar­ti­fi­cial tra­cers in ven­ti­la­ted caves. In­ter­na­tio­nal Jour­nal of Spe­leo­lo­gy, 53(1), 51-62. doi.org/10.5038/1827-806X.53.1.2497

5   Se­da­ghat­kish A., Dou­menc F., Jean­nin PY., Luet­scher M., 2024. Mo­de­ling the ef­fect of free convec­tion on per­ma­frost mel­ting rates in fro­zen rock-clefts. The Cryos­phere, 18, 4547–4565, doi.org/10.5194/tc-18-4547-2024

6   Se­da­ghat­kish A., Pas­tore C., Dou­menc F., Jean­nin PY., Luet­scher M., 2024. Mo­del­ling heat trans­fer for as­ses­sing the convec­tion length in ven­ti­la­ted caves. Jour­nal of Geo­phy­si­cal Re­search: Earth Sur­face, 129, e2024JF007646. doi.org/10.1029/2024JF007646

7    Se­da­ghat­kish, A., Pas­tore C., Dou­menc F., Jean­nin P.-Y., et Luet­scher M.. Ther­mal Mo­de­ling of Caves Ven­ti­la­ted by Chim­ney Ef­fect. In­ter­na­tio­nal Jour­nal of Ther­mal Sciences 212 (June 2025): 24. https://doi.org/10.1016/j.ijthermalsci.2025.109757.

8    Ga­ra­gnon J., Luet­scher M., We­ber E., 2022. Ven­ti­la­tion re­gime in a kars­tic sys­tem (Mi­landre Cave, Swit­zer­land). Kars­to­lo­gia Mé­moires, 23, 18-19

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